Beschlagnahmte Bitcoins in Sachsens Staatskasse: Warum verkauft das Bundesland gerade jetzt seine Krypto-Schätze?

Dana -
Bild von Bartek Kopala auf Pixabay
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Ein Abend ohne Netflix ist heutzutage kaum vorstellbar, doch vor einigen Jahren holten sich Millionen Menschen Filme und Serien über illegale Streaming-Plattformen wie Pirate Bay, Kinox.to oder Movie2K ins Haus. Ein schlechtes Gewissen hatte kaum jemand. 

Diese Vergangenheit hat nun die Betreiber einer der bekanntesten dieser Plattformen, Movie2K, eingeholt. Obwohl die Seite bereits 2013 abgeschaltet wurde, blieben die deutschen Strafverfolgungsbehörden an den Tätern dran. 2019 wurden zwei Verdächtige festgenommen, und der Hauptbetreiber wurde im Mai 2023 vom Landeskriminalamt Sachsen in Haft genommen. Ihnen werden tausendfache Urheberrechtsverstöße sowie Geldwäsche vorgeworfen. Mit illegalem Streaming erzielten die Betreiber erhebliche Einnahmen, die sie über Briefkastenfirmen und Vermittler nach Europa und Asien verschoben und schließlich in Bitcoin investierten.

Überangebot an Bitcoins durch Sachsen

Laut dem Nachrichtenmagazin „Stern“ wurde der Hauptbetreiber im Januar jedoch unerwartet freigelassen. Offenbar hat er einen Deal mit der Dresdner Staatsanwaltschaft abgeschlossen: Im Gegenzug für seine Freilassung gewährte er den deutschen Behörden freiwillig Zugriff auf seinen Bestand von 49.857 Bitcoins. So kam das Bundesland Sachsen zu einem riesigen Krypto-Vermögen. Der aktuelle Wert dieser Bitcoins liegt bei etwa 2,7 Milliarden Euro, ein bislang in Deutschland beispielloser Betrag. Nur die US-Regierung besitzt einen noch größeren Bitcoin-Bestand als Sachsen.

Statt die Bitcoins jedoch bis zur Urteilsverkündung zu behalten, verkauft das Bundesland sie weiterhin auf dem Markt und drückt dadurch den Kurs der Kryptowährung. Der Prozess gegen die Plattformbetreiber hat noch nicht einmal begonnen, und es gibt noch kein Urteil. Laut dem Informationsdienst Arkham wurden seit Mitte Juni über das Wallet des Bundeskriminalamts (BKA) Bitcoin-Verkäufe abgewickelt, die im Auftrag der sächsischen Behörden durchgeführt werden. Marktbeobachter schätzen, dass zuletzt täglich fast 1.000 Bitcoins verkauft wurden, was einem Tageserlös von rund 54 Millionen Euro entspricht.

Die Folge: Der Bitcoin-Kurs, der seit Jahresbeginn stark gestiegen war, gerät nun massiv unter Druck. Mitte März erreichte der Bitcoin ein Allzeithoch von knapp 74.000 Dollar, seitdem hat er rund ein Fünftel seines Wertes verloren. Sachsen profitiert, während die Bitcoin-Anleger leiden. Für Anleger, die in dieser volatilen Phase Orientierung suchen, bietet kryptoszene.de Krypto Insidertipps, um informierte Entscheidungen zu treffen und mögliche Risiken zu minimieren.

Schutzmechanismus für den Staat

Die deutschen Behörden scheinen wenig Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Verkäufe genommen zu haben. Eine vorzeitige Verwertung der Bitcoins kann jedoch als Schutzmechanismus des Staates verstanden werden, um spätere Ansprüche zu verhindern. Die Behörden seien verpflichtet, die Bitcoins so schnell wie möglich zu verwerten, um das Risiko von Kursverlusten zu minimieren. Auch der Zugriff auf beschlagnahmte Bitcoins ist anspruchsvoll. Die sächsischen Strafverfolger hatten Glück, dass der Betreiber der Streaming-Plattform kooperativ war. Denn ohne die freiwillige Herausgabe der Bitcoins wäre es äußerst aufwendig gewesen, die notwendigen privaten Schlüssel zu finden, die den Zugang zu den Beständen ermöglichen. Die sächsischen Behörden haben sich somit aufwendige Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Computern und Handys erspart, um an die Zugangsschlüssel zu gelangen. So konnten die rund 50.000 Bitcoins des Plattformbetreibers problemlos auf ein staatliches Wallet übertragen werden. 

Ob die Bestände vorzeitig verwertet werden oder in staatlichem Gewahrsam bleiben, entscheidet letztlich die zuständige Staatsanwaltschaft.

Sachsen muss auf die Milliarden warten

In Deutschland läuft der Prozess ähnlich ab. Der Verkauf der Bitcoins wird über das Wallet des BKA abgewickelt, doch die Verantwortung für den Verkauf der beschlagnahmten Bitcoins liegt bei der Staatsanwaltschaft Dresden. Der Erlös kommt grundsätzlich dem Bundesland zugute, in dem das zuständige Gericht, in diesem Fall das Landgericht Leipzig, seinen Sitz hat. Nutznießer des Geldsegens ist somit der Freistaat Sachsen. Laut Staatsanwaltschaft Dresden kann es bei beschlagnahmten Geldern zu einer sogenannten Vermögensabschöpfung kommen, die jedoch gerichtlich angeordnet werden muss und nur bei einer Verurteilung des Beschuldigten ausgesprochen werden kann. Die Einziehung kann auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Das bedeutet, dass der Staat vorerst nicht über den Milliardenerlös verfügen kann. Die Gelder würden theoretisch in den allgemeinen Staatshaushalt fließen, wobei separate Beträge auch an das Innen- und das Justizministerium gehen könnten.

Bis dahin bleiben die Vermögen bei der Justiz hinterlegt. Im unwahrscheinlichen Fall eines Freispruchs, bei dem es nicht zu einem Einziehungsentscheid kommt, müssten die hinterlegten Vermögen an den Angeklagten zurückgegeben werden. Ein Teil des Erlöses könnte auch als Entschädigung an die Geschädigten fließen, sofern sie entsprechende Ansprüche stellen. Dazu zählen die Eigentümer der Urheberrechte, die durch die illegale Plattform verletzt wurden. Betroffene Studios und Produktionsfirmen der Filmindustrie könnten somit ebenfalls einen Teil des Bitcoin-Schatzes erhalten